Es ist Silvester. Und man soll ja nicht mit Traditionen brechen. Also gibt es Raclette. Wir stellen den Raclette-Grill auf den Tisch, bereiten Käse vor und backen vorsichtshalber zwei Baguettes auf. Mitbewohner fragt mich: "Meinst du das reicht für uns zwei?", und schaltet den Grill ein.
Zwei Stunden später.
Die Balkontür wird aus den Angeln gesprengt und ein steter, glühender Fluss heißer Käse ergießt sich über unsere Straße. Panisch rennen Leute mit wedelnden Armen hin und her und suchen Zuflucht.
Zwei Tage später.
Die Käsefront hat Hawaii erreicht und die Bewohner sind größtenteils entspannt. Sie halten ihre Stöcke mit einer lokalen Stockbrotvariante über die zähflüssige Zerstörung und tunken kurz vor dem Verzehr einmal ein. Vorbereitet zu sein zahlt sich eben aus.
Der Mond zieht die immernoch flüssigen Teile der Käsekruste an und sorgt so für einen Gezeitenkäse.
Zurück in unserer Wohnung sieht man uns nach wie vor, die entstehenden Käseflüsse in unsere Richtung genauso schnell wegessen, wie sie entstehen. Ich schaue Mitbewohner kurz an, nicke und sage: "Ich glaube, es reicht." Dann schließt sich das käsige Grab über uns.